Veranstaltung: | Bezirksgruppe „Flucht und Menschlichkeit: Engagiert gegen eine restriktive Asylpolitik“ |
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Antragsteller*in: | GA KV Xhain (dort beschlossen am: 13.06.2023) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 13.06.2023, 12:32 |
A1: Antrag für Sonder-BDK zur Asyl-Reform
Antragstext
Als Kreisverband Bündnis 90/ Die Grünen Berlin Friedrichshain Kreuzberg
unterstützen wir basisdemokratische Initiativen und stellen uns deshalb hinter
den Antrag des Kreisverbandes Cloppenburg zur Beantragung einer Sonder-
Bundesdelegiertenkonferenz (BDK).
Vor wenigen Tagen stimmte die Bundesregierung einem Kompromiss zur europäischen
Asylpolitik zu. Als Kreisverband blicken wir mit großer Sorge auf diese
Entscheidung, die von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen,
innerparteilichen Gruppierungen und nicht zuletzt der Grünen Fraktion[1][2] im
Europäischen Parlament scharf kritisiert wurde.
Viele unserer Mitglieder kommen mit eben dieser Entscheidung an die Grenze
dessen, was sie bereit sind, politisch mitzutragen. Als Bündnisgrüne haben wir
stets vehement für das Grundrecht auf Asyl gekämpft. Für viele unserer
Mitglieder war und ist das Streben um eine humanere Asyl- und
Geflüchtetenpolitik Treiber ihres politischen Engagements. Der Kampf um eine an
den Menschenrechten und internationalen Konventionen orientierte Politik gehört
zum Grundkonsens unserer Partei, zu unserem Selbstverständnis und seit
Jahrzehnten zu unseren Wahlversprechen. Wir befürchten aufgrund der nun
getroffenen Entscheidung Mitglieder zu verlieren, die unsere politische Arbeit
erst ermöglichen, und das Vertrauen der Wähler*innen zu verspielen, weil wir
nicht in der Lage sind zu erklären, wieso unsere Bundesminister*innen diese
Entscheidung mitgetragen haben. Wir wollen nicht, dass diese Entscheidung der
Bundesregierung unsere Partei spaltet. Um dies zu verhindern, brauchen wir eine
geordnete Debatte, die unsere Mitglieder einbezieht. Auf einer außerordentlichen
Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) wollen wir deshalb konstruktiv und offen über
dieses Thema, die Entscheidung der Bundesregierung und unseren weiteren Umgang
damit debattieren.
Gemeinsam wollen wir diskutieren und festlegen, wie wir uns als Partei in
Zukunft in der Regierungskoalition aufstellen und Leitplanken für die weitere
Zusammenarbeit setzen. Das gilt für uns als Kreisverband und für unsere gesamte
Partei. Deshalb braucht es eine BDK, als höchstes beschlussfähiges Gremium und
Ort für Diskussion und Richtungsfindung.
Begründung
Die am Donnerstag, 08.06.2023 von den EU-Innenminister*innen beschlossenen Pläne für das Gemeinsame Europäische Asylsystem stehen im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, zu unserem Grünen Grundsatzprogramm und zu Beschlüssen der BDK aus dem letzten Jahr. Als 2018 Kinder an der US-Mexianischen Grenze inhaftiert wurden, hat uns das zurecht erschüttert. Sind wir nun bereit, ähnliche Szenarien an den europäischen Außengrenzen zu akzeptieren?
Absatz 432 unseres Grünen Grundsatzprogramms ist hier eindeutig:
"Nicht jede*r hat das Recht auf Asyl, aber jede*r hat das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung sowie auf eine würdige Unterbringung und Behandlung. Zugang zu unabhängiger, rechtlicher Beratung und zu Widerspruchsmöglichkeiten zeichnet den Rechtsstaat aus. Ärztliche Versorgung und Zugang zu Bildung muss in dieser Zeit und auch unabhängig vom Status gewährleistet sein. Ziel ist ein gemeinsames EU-Asylrecht mit hohen Standards.". Die geplante Asylrechts-Reform ist mit unserem Grundsatzprogramm nicht vereinbar.
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Oktober 2022 forderten wir im Leitantrag des BuVo zur Wertegeleiteten Außenpolitik eine “menschenwürdige, gesamteuropäische Asyl- und Einwanderungspolitik”, Asylverfahren innerhalb der EU und dass “alle Asylanträge inhaltlich geprüft werden”. Wir lehnten “[m]enschenunwürdige Lager und geschlossene Einrichtungen” ebenso wie “europäische Außenlager in Drittstaaten ab.” In einem weiteren einstimmig beschlossenen Antrag stellten wir uns außerdem gegen “Asylschnellverfahren an den EU-Außengrenzen, die [...] eine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden [...] vorsehen”. Auch die BDK-Beschlüsse zeigen eine eindeutige Positionierung unserer Partei.
Es ist offensichtlich, dass viele unserer Mitglieder nicht hinter der Entscheidung unserer Bundesregierung stehen. Die Entscheidung zur GEAS wurde inzwischen von vielen Mitgliedern, Kreisverbänden und ganzen Landesverbänden kritisiert und ein uneingeschränktes Recht auf Asyl gefordert. Vergleichbare Beschlüsse wurden in den vergangenen Wochen unter anderem in Bayern[3], Berlin[4], Bremen[5], Niedersachsen[6] und Nordrhein-Westfalen[7] gefasst.
Den Koalitionsvertrag und unser Grundsatzprogramm sehen wir in den letzten Monaten auch in anderen Bereichen bedroht: Das Klimaschutzgesetz wird voraussichtlich aufgeweicht werden, die Kindergrundsicherung wird blockiert und das Gebäudeenergiegesetz verschleppt. Diese und weitere Entwicklungen waren für uns als Partei nicht leicht zu ertragen. Mit der Entscheidung zur Asylpolitik wird die Liste schmerzlicher Entwicklungen nur noch länger.
Politik lebt von Kompromissen, gerade in Zeiten großer Krisen. Doch Kompromisse dürfen nicht dazu führen, dass wir uns als Partei bis zur Unkenntlichkeit verbiegen und unsere gemeinsame Wertebasis aufgeben. Es ist wichtig, unseren Koalitionspartner*innen stark entgegenzutreten und klare Grenzen aufzuzeigen. Als Bündnisgrüne sind wir nicht bereit, unsere Grundsätze über Bord zu werfen.
Es ist unübersehbar, dass wir als Partei Redebedarf haben. Denn in unserer Partei gibt es verschiedene Meinungen zu dieser Regierungsentscheidung und zum weiteren Vorgehen. Interne Spannungen können nur geklärt werden, wenn die unterschiedlichen Meinungen im Rahmen geordneter, demokratischer Prozesse ausgesprochen und nicht totgeschwiegen werden. Wenn wir als Partei erfolgreich mit unseren Koalitionspartner*innen verhandeln wollen, müssen wir ein gemeinsames Ziel haben und mit geeinter Stimme sprechen.
Ein Antrag auf eine außerordentliche BDK wurde bereits vom Kreisverband Cloppenburg gestellt:https://sonder-bdk.de/meldung-des-kv-cloppenburg/
[3] Beschluss Landesdelegiertenkonferenz Grüne Bayern 21.05.2023: "Als bayerische Grüne setzen wir uns weiterhin für das Grundgesetz und das uneingeschränkte Recht auf Asyl ein. Wir fordern die bayerische Staatsregierung dazu auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen den Beschluss der Asylverfahrensverordnung einzusetzen." (https://www.gruene-bayern.de/humane-migrationspolitik/)
[4] Beschluss Landesausschuss Bündnis 90/Die Grünen Berlin 10.05.2023: "Bündnis 90/Die Grünen Berlin lehnen die Pläne der Bundesregierung ab, sogenannte verpflichtende Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen für Asylsuchende einzuführen" (https://gruene.berlin/beschluesse/sicherer-hafen-berlin-zugangswege-ermoeglichen-asylrecht-bewahren_3222)
[5] Beschluss Landesmitgliederversammlung Bündnis 90/Die Grünen Bremen 27.05.2023: "Bündnis 90/Die Grünen Bremen lehnen die Pläne der Bundesregierung ab, sogenannte verpflichtende Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen für Asylsuchende einzuführen" (https://gruene-bremen.de/sicherer-hafen-bremen-zugangswege-ermoeglichen-asylrecht-bewahren/)
[6] Erklärung Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen 05.05.2023: „Haftlager an den EU-Außengrenzen sind inakzeptabel“ (https://www.gruene-niedersachsen.de/haftlager-an-den-eu-aussengrenzen-sind-inakzeptabel/)
[7] Beschluss Landesdelegiertenkonferenz Nordrhein-Westfalen 03.-04.06.2013: "Das individuelle Recht auf Asyl muss weiter und uneingeschränkt gelten." (https://gruene-nrw.antragsgruen.de/ldk23/andere-reden-uber-zaune-wir-reden-uber-losungen-gemeinsam-solidaris-28767)
Kommentare
Phil Radtke: